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Franken+Oberpfalz
Bayreuth
Ein romantischer Idealraum: die Frankische Schweiz
Die Fränkische Schweiz, früher nur als das „Jura“ bekannt, definiert sich geographisch aus dem groben Dreieck zwischen Bayreuth, Forchheim und Pegnitz mit seinem Wechsel an katholischen und protestantischen Ortschaften, in dem ursprünglich auch „Landfremde“ wie Juden und „Welsche“ (Italiener) Aufnahme fanden.

Sie ist trotz ihrer touristischen Erschließung - zunächst als romantischer Idealraum, als Schweiz en miniatur, dann mit ihrer „Entdeckung“ durch die NS-Bewegung „KdF“ als deutscheste aller Regionen (Gaue) - für viele immer noch eine Landschaft voller Mythen und Rätsel. In ihr lassen sich Dinge entdecken, die anderenorts längst verschwunden sind.

Mythenbildend sind nicht nur weltliche Güter wie die Blue Jeans und Wiener Würstchen, die von hier aus Weltfahrt aufnahmen. Vielmehr sind es seine tiefgesägten Flusstäler mit seinen Mühlen, Burgen und Höhlen wie der Teufelshöhle in Pottenstein, in denen der Zugang zur Unterwelt vermutet wurde/wird. Manche der Burgen sind seit vielen hundert Jahren in Familienbesitz, können aber mittlerweile wie die imposante Burg Egloffstein, besichtigt und von „Fremden“ bewohnt werden. Die schroffen steil aufragenden Felsen, auf deren Rücken die Burgen thronen, sind heute Wallfahrtsstätten von Sportkletterern.

Nicht weniger mystifiziert und religiös „aufgeladen“ sind seine Berge. Allen voran der Veitsberg, der heiligen Berg Frankens, auf dessen Gipfel Victor von Scheffel zum „Frankenlied“ inspiriert wurde. Von hier aus sah er auf (s)ein Volk, das von ihm Fremden aus den tiefsten Süden regiert wurde. Noch identitätsstiftender ist das „Walberla“, die Ehrenbürg, gekrönt von der Kapelle der Hl. Walburgis. Nicht nur den Brocken sollen die Hexen in der Nacht zum 1. Mai angeflogen haben. Manche machen das wohl heute noch. Dieser Kuppelberg bietet gute Aufwinde zum Abheben und Ausblicke ins Land, vor allem wenn „Kellerwetter“ ist. Das ist dann der Fall, wenn sich der Franke an sonnigen Tagen „auf den Keller“ begibt, in die schattigen Biergärten unter denen das lagert, was den „Doschd“ zu stillen vermag – das Bier. Bier, Kellerwetter und Walberla gehören einfach zusammen. Und was dem Japanern ihr Fudschijama, ist den Franken eben ihr Walberla: „ Es walbälä is unsä fudschijama/edä mou in seim lehm ämall nuaf/obbä dä schnäi fehld im summa, dä schnäi“ (Fitzgerald Kusz , zit nach Krumme Wege S. 50). Und wenn dann noch die Kirschblüte in Franken die Landschaft wie mit „Schnäi“ überzieht, dann kann man diese Assoziation durchaus verstehen.

Doch von Mythen kann man nicht abbeißen. Jahrhunderte lang war die Fränkische Schweiz ein Armenhaus, das viele so schnell wie möglich verlassen wollten. Mitte 19. JH lebten allein in Pottenstein viele Hunderte Familien von Suppe aus Wasser und Kartoffeln, mit wenig Salz und Schmalz. Auch die (zu) vielen Mühlen an den Flüssen, mögen sie heute pittoresk erscheinen, damals boten sie den Müller nur eine karge, kümmerliche Existenz. Sie gruben sich im wahren Wortsinn gegenseitig das Wasser ab und damit die Basis zum Lebensunterhalt. Fehlte das Wasser um die Mühlen zu betreiben, musste der Müller selbst Hand anlegen. Mit Korbflechten haben sie sich ein Zubrot verdient, ehe viele von ihnen auswanderten. Das wenige was sie hatten und anbauen konnten wurde zudem oftmals durch wilde Herrschaftsjagden „untergepflügt“. Heute sind viele der verbliebenen Mühlen herausgeputzte Schmuckkästchen wohlhabender Pendler.
 
Erkundungen
Auf den Weg kann man sich per Rad oder als guter Tourist auch mit dem Auto machen. Startpunkt ist Bayreuth-Süd. Zunächst geht es nach Oberkonnersreuth. Das „richtige“ Konnersreuth, das mit der berühmten Resl, liegt überraschenderweise nicht in der Nähe, sondern bei Arzberg nahe der tschechischen Grenze (Link), also ein ganzes Stück entfernt. Weiter zum benachbarten Schloss Thiergarten, in dem es keinen gibt und von dort zum „Arsch“ des Hummeltals nach Gesees. Kennt jeder Autofahrer aus Staumeldungen, muss man aber nicht zwinglich gesehen haben. Also weiter durch das Hummeltal nach Muthmannsreuth und Vorderkleeblatt. Hier kann man entweder über den Aussichtspunkt Platte oder direkt nach Cristanz ins Ahorntal abzweigen. Jetzt ist es nicht mehr weit bis Schloss Rabenstein mit seinem Greifvogel- und Eulenpark und einer fast einen halben Kilometer langen Tropfsteinhöhle. Zeit für eine ersten Rast. Hier muss man sich entscheiden wie man Gößweinstein erreichen will. Der kürzeste Weg führt das romantische Ailsbachtal entlang, aber man ist ja nicht hier um es kurz zu machen, sondern die Landschaft vollumfänglich in sich aufzunehmen.

Also nach Waischenfeld abbiegen und das Tal der Wiesent erkunden. Jeder*e Literatur affine Mensch sollte jetzt stutzen. Waischenfeld? Schon mal gehört? Aber ja doch, in dessen Nähe befindet sich die Pulvermühle, in der 1967 die berühmte Tagung der „Gruppe 47“ stattfand, heute eine Ziel von Kaffeefahrten -  auch diese einer der vielen "Belletristen". Nach Rabenstein kommt Rabeneck. Scheint damals viele von den Viechern gegeben zu haben. Das andere Schloss, eben Rabeneck, um das wohl auch die namensgebenden Vögel flatterten, lässt man hinter sich, kommt an der mystischen Riesenburg vorbei und in Gößweistein raus.

Als andernorts nächtliche Karfreitagsprozessionen mit Geißlern längst untersagt waren, fanden sie in Gößweinstein immer noch statt. Nicht nur tiefe Religiosität begründete ihr Handeln, sondern die von der Kirche angebotenen Verpflegung und die Almosen der Zuschauer. Ziel war die Basilika „Zur heiligsten Dreifaltigkeit“ von Balthasar Neumann, die heute nach dem Schweiß der vielen Buswallfahrer riecht. Dokumentiert wird das religiöse Treiben im dortigen Wallfahrtsmuseum. Neben der Aussicht auf himmlische Heil, gibt es auch noch die profane von der Burg mit seinem Biergarten. Im Höhenschwimmbad mit seinem bisher noch kostenlosen Eintritt kann man auf bella figura machen, sich im Eibenwald verzaubern lassen und schließlich dem Chronisten und literarischen Lobhudeler der Region, Victor von Scheffel (Denkmal seit 1929), die Aufwartung machen.

Die regionale Schnapsbrennerei und Schafhaltung entsprang nicht kulinarischen Vorlieben oder landschaftspflegerischen Interessen, sondern sie boten auf den kargen Böden ein notwendiges Zubrot. Das alltägliche Tragen der Tracht, bis weit ins 19. JH als äußeres Zeichen der Armut und Rückständigkeit angesehen, ist hier eher pittoresk und Ausdruck einer „heilen Welt“. Die in der Münchner Fußgängerzone sitzenden „Kräuterwaibla“ geben davon ein lebendiges Zeugnis ab.

Schon mal hier, kann man noch ein ganzes Stück die Wiesent weiter entlang fahren. Hier gibt weitere Burgen, Burgruinien (Neudeck) und Fake-Burgen, wie die 1941 von den Nazis erbaute camouflierte Raubritterburg Feuerstein, die das Institut für Hochfrequenztechnik (heute ein Jugendhaus) vor Luftangriffen bewahren sollte. Und natürlich weitere Landschaftslöcher, die in die Tiefe und die Unterwelt führen wie die berühmte Binghöhle in Streitberg, die mittlerweile wieder den Namen ihres Entdeckers, des jüdischen Spielwarenfabrikanten Bing aus Nürnberg tragen darf. Wer den Abstecher nicht mit dem Rad unternehmen möchte, dem sei die dampfbetriebene Museumsbahn ans Herz gelegt.

Nächstes Tal, nächstes Glück. Von Gößweinstein geht es weiter die Püttlach entlang nach Pottenstein. Hier gibt es, wen wundert es, eine Höhle, die Teufelshöhle, und eine Burg, die 1000 jährige Schutzburg der HL Elisabeth. In der Höhle kann man sein Asthma therapieren, im Felsenbad seinen Mut beweisen und am Erlebnisfelsen die Pottensteiner Himmelsleiter erklimmen. Abheben nach Hexenart sollten aber nur Geübte. Wie das geht, veranschaulicht ein Besuch im Museum Fränkische Schweiz. Zudem gibt es hier wie eine Autorin festgestellt hat, ein Geschäft mit den ältlichsten Damenblusen der Welt. Fällt einem als Mann natürlich nicht so auf. Nicht nur deswegen war für sie so eine Reise durch die deutsche Provinz ein Wohlfühltrip des inneren Spießers, bei dem man als Piefke unter Piefkes bleibt. Auch wenn es in vielen Gegenden und Fremdenverkehrsprospekten in Bayern gerne beschworen wird: dies hier ist eben keine Toskana, doch auch die ist nur ein imaginärer Sehnsuchtsort.

Realiter geht es die Püttlach weiter entlang zum gleichnamigen Ort und über Trockau nach Lindenhardt. Hier befindet sich das größtes Kunstwerk der Region: die 14 Nothhelfer Tafeln von Matthias Grünewald in der Kirche St. Michael. Geschaffen wurden sie 1503 für die Kirche in Bindlach. Nachdem diese dem Zeitgeschmack angepasst wurde, sprich barockisiert wurde, passte das spätgotische Werk nicht mehr so recht zur Einrichtung. 1687 wurden sie dann der Pfarrgemeinde Lindenhardt überlassen, nachdem deren ursprünglicher Altar bei der Brandkatastrophe im Jahr 1684 in Flammen aufging. Dort übergab man sie erst einmal dem Schlaf der Jahrhunderte. 1926 wurden sie von Karl Sitzmann „wiederentdeckt“ und wissenschaftlich beschrieben. Seitdem sind sie ein kultur- und kunstgeschichtliches must. Doch ursprünglich hatten sie eine ganz andere „Aufgabe“: sie sollten in der Not helfen. Hinter einer Hauptfigur drängt sich der Rest der Nothelfer, u.a. der Hl. Dionysius in lachsfarben Mantel, sowie ein junger, gestraffter St. Georg. Christophorus wuschelt das Christkind, Pantaleon eigene Händen sind am Kopf festgenagelt, die Gedärme von Erasmus auf eine Haspel gewickelt und in Franken besonders beliebt der Exorzist Cyriakus, der einen haustierkleinen Dämon am Ben festhält. Das alles üppig umkränzt mit viel Gold. Schutz boten die 14 Burschen gegen körperliche Beschwerden wie Veitstanz, Wochenbettprobleme oder Stottern.

Nach soviel geistlichem Beistand geht es weiter nach Creussen mit dem Krügemuseum im ehemaligen Scharfrichterhaus. Hier hat man als Radfahrer die Möglichkeit mit der Bahn retour nach Bayreuth zu fahren, auf der Bier- und Burgenstrasse oder den Ausgangsort Bayreuth über Emtmannsberg zu erreichen.
 
Übernachten: Streitberg: Hotel Altes Kurhaus, Fachwerkhaus und alte „Molkekuranstalt“, eine der ersten Touristenattraktionen der Fränkischen Schweiz, Landgasthof Schatz, Hollenberg im Püttlachtal südlich von Püttlach, Hirtenhaus Etzdorf, südlich von Gößweistein
Einkehrmöglichkeiten: Gut Schönhof, Eichenbirkig, bei Burg Rabeneck, Biobetrieb, Jura Lamm; Brauereigasthof Wirnkler, Bronn, südöstlich von Pottenstein; Gasthof Bauernschmitt, Kirchenbirkig, im Süden von Pottenstein; Gasthaus Persau, Püttlach