he, himself © Hans-Jürgen Hereth, 2023
Auf Humboldts Spuren
Mit der nächsten Tour begibt man sich auf Goldsuche. Nicht nur als Metall kann es viele Farben annehmen. Weißes Gold steht auch für Porzellan, sogar das hiesige Bier ist goldfarben und UNESCO geadelt (Zoigl). Humboldt ist aber wegen des Wiederbelebung des Bergbaus und u.a. zur Goldgewinnung nach Oberfranken beordert worden. Da die Böden karg, die Arbeit hart und die Herrscher Protestanten waren, wurde in dieser Gegend als einer der ersten in Deutschland die Kartoffel kultiviert. Viele Mäuler konnten damit gestopft werden. In ganz Bayern wird die Kartoffel am liebsten in Form eines Knödels zu sich genommen. Dabei ist leider oftmals die Größe wichtiger als der Geschmack. R.W.B. McCormack stellt hierzu in seiner Ethnographie „Tief in Bayern“ eine interessante Analogie her. Er vergleicht die Knödel mit den Kugeln des Rosenkranzes und unterscheidet hier wie dort unter Vaterunserkartoffeln(kugeln) und Gegrüßetseistdumariakartoffeln(kugeln). Auch heute sind die Knödel hier noch so groß wie Handbälle. Am besten sollen sie sein, wenn sie unter der Achsel gerollt werden. Der Schweiß soll zudem verhindern, dass die rohen „Klöß“ sich verfärben. Auch wenn man das nicht weiß oder glaubt, schmecken sie extrem lecker.
Humboldt Wohnhaus Goldmühl © Hans-Jürgen Hereth, 2023
Besucherbergwerk Goldmühl © Hans-Jürgen Hereth, 2023
Franken und Preußen
Der geheime Hausvertrag „Pactum Fridericianum“ regelte die Erbfolge zwischen den Fürstentümern Ansbach und Bayreuth und Preußen. Da die fränkischen Marktgrafen kinderlos blieben, gingen ihre Ländereien am 28.1.1792 in preußischen Besitz über. Verwaltet wurden sie von dem „Vizekönig“ Karl August Freiherr von Hardenberg mit dem Zielen, ein geschlossenes Staatsgebiet zu schaffen, die Landesverwaltung neu zu strukturieren und die Staatsfinanzen zu sanieren. Um dies gewährleisten zu können, tauschte er eine Vielzahl der alten Beamten aus und ersetzte sie durch „auswärtige“ Sachverständige. So wurde auch Alexander von Humboldt im Juli 1792 nach Franken geschickt, um eine Bestandsaufnahme des hiesigen Berg- und Hüttenwesens vorzunehmen. Sein ausführlicher Bericht über die Bergbauämter Goldkronach, Wunsiedel und Naila führte im Mai 1793 zu seiner Versetzung nach Franken, um den Bergbau dort neu zu beleben. Unter Einsatz seines Lebens, führte er auch gesundheitliche (eine Atemmaske und die „Lichthalter“ genannte Berglampe mit längerer Brenndauer, deren Erprobung ihm fast das Leben kostete) und soziale („Bergbau-Hülfskasse“) Verbesserungen für die Bergleute ein. Die von ihm gegründeten Bergbauschulen in Bad Steben und Arzberg waren die ersten ihrer Art in Deutschland. Hier, wie zuvor schon in Freiberg, legte er den wissenschaftlichen Grundstein für seine späteren Entdeckungsreisen u.a. nach Südamerika. In den fünf Jahren seiner Amtszeit wechselte er zwischen seinen Wohnsitzen in Goldkronach, Goldmühl und Arzberg.
Bergbau
Seit dem frühen Mittelalter wurde im Fichtelgebirge Erzabbau betrieben. Man förderte auf diese Weise vor allem Gold, Zinn, Kupfer, Eisen, Steinen und Erden zu Tage. In, an Flussläufen angesiedelten Hammerwerken wurden sie zerkleinert und in Schmelzöfen und Schmieden weiterverarbeitet. Das für den Bergbau und die Verhüttung nötige Holz lieferten die Wälder des Fichtelgebirges. Der Transport erfolgte über seine Flüsse. Die meisten dieser Bergwerke waren bis zum 30-jährigen Krieg ausgebeutet. Vor allem der Abbau von Alaun und Zinnerzen hatte aber weiterhin große Bedeutung. Doch so hochentwickelt wie die Oberpfalz, vom 14 Jh. bis zum 17. Jh. „das“ europäischen Eisenzentrum und „Ruhrgebiet des Mittelalters“, wurde das Fichtelgebirge nie.
Golderz © Hans-Jürgen Hereth, 2023
Johanneszeche Arzberg © Hans-Jürgen Hereth, 2023
Dennoch wurde in Oberfranken seit dem Mittelalter erfolgreich Gold-, Eisen- und Kupfererze gefördert. Schon seit 950 wurde in Goldkronach untertägiger Bergbau betrieben, u.a. wurde in der am Zoppatenbach gelegenen Fürstenzeche Gold gefördert und eingeschmolzen. Zwar stellte Humboldt in seiner Generalbefahrung fest, dass es im Berg noch reichhaltige Golderzvorkommen gäbe, die Förderung und Aufbereitung jedoch ein zu großes wirtschaftliches Risiko darstelle.
In Wunsiedel und Weißenstadt wurde im Mittelalter das Zinn aus dem Fichtelgebirge mit dem Eisenblech aus der Oberpfalz weiterverarbeitet. Doch schon vor Humboldts Aufenthalt fand hier kein Bergbau mehr statt. Anders im Fichtelgebirge. Um Arzberg waren nach über 300 Jahren intensiven Bergbaus im Jahre 1850 noch 20 Gruben in Betrieb, von denen die letzte, der „Kleine Johannes“, erst 1912 aufgegeben wurde.
Einige Bergwerke wie das Arzberger Gleißinger Fels, Fichtelberg-Neubau, Weißenstadt, Goldkronach und Wunsiedel wurden in letzter Zeit durch Besucherbergwerke und Museen neu erschlossen und zu dem Humboldt- und den GEO-Erlebniswanderweg verbunden. Der ortansässigen Bevölkerung war das aber genug Humboldt. 2021 entschieden sich die Bürger von Goldkronach in einem Bürgerbegehren gegen die Erstellung eines Alexander-von-Humboldt-Museumsparks. Die zugesicherten staatlichen Zuschüsse waren zweckgebunden und konnten nicht in den Ausbau der Kanalisation oder das Feuerwehrhauses umgeleitet werden. Na so was! Dafür gibt es hier ja schon ein Humboldt Wohnhaus, das Humboldt Kulturforum im Schloss und einen vielbesuchten lost place, den „Pfarrer im Sündereck“. Wer braucht da noch mehr? Kartoffel Karge Gegend, reichlich Arbeit – und irgendwie muss man die Leute dabei auch irgendwie satt bekommen. Am einfachsten ging dies mit der Kartoffel: „In der Früh Bramburi, zu Mittag Erdäpfel und am Abend Grundbirnen“, wie dies in armen Regionen üblich war. Der Name verspricht Abwechslung, doch die Pflanze bleibt die gleiche.
Der erste feldmäßige Anbau des Nachtschattengewächses auf deutschen Gebiet ist 1647 im oberfränkischen Pilgramsreuth nachgewiesen. Die lokale Initiative zu dieser Innovation ging von einem Bauern aus, der sie nachbarschaftlich weiterverbreitete. Der Ertrag konnte soweit gesteigert werden, dass Exporte sogar nach Preußen möglich wurden. Dort förderte der preußischen König 1740 den Kartoffelanbau. Auch selbstversorgende Pfarrer mit ihren Pfarrgärten hatten bei der Weiterverbreitung der Kartoffel vorbildhafte Funktion. Bereits im Österreich-Preußischen Erbfolgekrieg (1778/79), auch als „Erdäpfelkrieg“ benannt, bei dem von beiden Kriegsparteien versucht wurde, den Gegner auszuhungern, kam der Kartoffel kriegsentscheidende Bedeutung zu. Als es keine Kartoffeln mehr zur Verpflegung der Soldaten gab, war der Krieg vorbei. So einfach ist/war das manchmal.
1680 verbreitete sich der Kartoffelanbau ins Vogtlang, von dort nach Thüringen, Sachsen und in die Pfalz. 1719 wird zum ersten Mal der Begriff Erdäpfel verwendet. Die Kartoffel wurde dort zunächst als Getreide- oder Mehlersatz verwendet, verdrängte Breie, Grützen und Knödel, wurde zu Brot verarbeitet und zu Schnaps gebrannt. Sie diente anfänglich auch noch als Stärkemehl und Haarpuder. In ärmeren Regionen wie dem Bayerischen Wald und der Oberpfalz, zumal dort wo bisher Eintöpfe verbreitet waren, konnte sie sich leichter durchsetzen. Hier wurde auch das kreative Potential in der Verarbeitung der Kartoffel geweckt. Verwendung fand die Kartoffel nun in Puddings und in der vielfältigen Zubereitung von Klößen. Gegessen wurden Kartoffeln dort auch mit Schwand, in der Brühe, als Salat oder Bratkartoffen. Erst das europaweite Hungerjahr 1770/71 und eine entsprechende Verordnung von Kurfürst Maximillian III. Joseph zur Kultivierung von Brachflächen mit dem Ziel, die Bevölkerung zuverlässiger mit Nahrungsmitteln zu versorgen und Hungersnöten vorzubeugen, verhalf der Kartoffel zu ihrer landesweiten Verbreitung. Da gleichzeitig neue Anbaumethoden eingeführt und verstärkt Feldfrüchte und Kartoffeln (Hackfrüchte) angebaut wurden, konnte der landwirtschaftliche Produktion erhöht und die ganzjährige Stallfütterung erreicht werden. Diese Entwicklung führte zu einem Bevölkerungswachstum in ganz Europa. Viele Menschen wanderten aus der landwirtschaftlichen Produktion in die Städte, in Manufakturen und Fabriken ab. So hat die Kartoffel die industrielle Revolution erst ermöglicht.
In Bayern hat sich vor allen Graf Rumford für die Kartoffel durch Anlegung von Garnisonsgärten (Englischer Garten in München) und als Grundlage für die Ernährung ärmerer Menschen (Rumford Suppe) stark gemacht. Trotz anfänglicher massiver Widerstände und Vorbehalte gegen die Kartoffel, konnte im 19. Jahrhundert die Rumford Suppe durch Zugaben von Fleisch auch in bürgerliche Kochbücher vordringen und sie so zu einer vollwertigen Mahlzeit machen. Geadelt wurde die Kartoffel erst durch Johann Rottenhöfer, dem Leibkoch Ludwig II. Dieser vermochte auf einzigartig verfeinerte Weise Ludwigs Lieblingsgericht, in Asche gebratene Kartoffeln, zuzubereiten, wie dieser sie durch seine Mutter, Prinzessin Marie von Preußen, kennen und schätzen gelernt hatte. Zoigl, eine Oberpfälzer Spezialität Was passt zu einer deftigen Speise? Bier – das Grundnahrungsmittel in Bayern, zumal in Zeiten, in denen das Wasser verschmutzt und das gegorene Getränk die einzige Möglichkeit zu gefahrloser Flüssigkeitsaufnahme war.
Noch im 19. Jh wurde in 75 Orten in der Oberpfalz in Kommunbrauhäusern Bier gebraut. Dieses wurde anschließend in einen Keller des Zoiglwirts gefahren, um dort mit untergäriger Hefe vergoren zu werden. Von diesen Brauhäusern haben sich bis heute 5 aktive Braustätten erhalten. Als (Kenn-)Zeichen oder (An-)Zeiger, oberpfälzisch eben „Zoigl“ oder „Zeigel“, dafür, dass in einem Haus Zoigl ausgeschenkt wurde, diente der an einer Stange an der Hauswand befestigte sechszackige Stern, formgleich mit einem Davidstern. Der Zoigl-Stern wurde seit dem frühen 15. JH. verwendet und symbolisiert die Zutaten Wasser, Malz und Hopfen. Wurde die Stange entfernt, war der Biervorrat ausgetrunken. In Franken gab es zudem Kommunbrauhäuser, die mit dem (Aus-) Schankzeichen des „Flinderers“ angezeigt wurden. Auch diese waren an einer Stange am Ausschankort angebracht und „flatterten im Wind“. Vor allem in Seßlach wird diese Tradition noch gepflegt. Dort heißen die Biere „Hausbrauerbier“. Beiden ist ihre charakteristische goldgelbe Farbe gemeinsam. Porzellan Vom gelben zum weißen Gold ist es nicht allzu weit. Ist das gelbe zur Zeit wertstabiler denn je, verkommt das weiße zur billigen Ramschware. Doch das war nicht immer so.
Der Alchemist und Apotheker Johann Friedrich Böttger entzog sich 1701 nach seiner Aufsehen erregenden Umwandlung von Silber in Gold der Befragung durch seinen Brandenburgischen Landesherrn und fand Zuflucht bei August dem Starken. Abgeschirmt von seiner Umwelt und streng bewacht sollte er für den sächsischen König Gold herstellen. Dies misslang Böttger ebenso wie seine zahlreichen Fluchtversuche. Doch statt des gelben Goldes gelang ihm 1708 erstmals die Herstellung von modernem Porzellan, des „weißen Goldes“. August der Starke ward zufrieden und gründete 1710 die später so benannte „Königliche Porzellanmanufaktur Meissen“.
Porzellan wird aus einem Gemisch von Kaolin (Porzellanerde, Porzellanton), Feldspat und Quarz hergestellt. Kaolin, ein weißes, eisenfreies Gestein war schon früher in der Pharmazie als Bolus alba oder Pfeifenerde in Verwendung. Sein Hauptbestandteil, Kaolinit, ist ein Verwitterungsprodukt des Feldspats. Sein Hauptabbaugebiete in Deutschland befindet sich bei Hirschau in der Oberpfalz, in der Hirschau-Schnaittenbacher Senke. Im Jahr 1814 erhielt Carolus M. Hutschenreuther die Konzession zum Abbau und zur Verwertung dieses bislang ungenutzten Minerals und erschloss damit dieser bis dahin entlegenen und ärmlichen Gegend eine neue Arbeitsmöglichkeiten. Da sich hier auch die anderen zur Produktion von Porzellan befindlichen Materialien (Quarz, Feldspat und Fichten und später böhmische Braunkohle als Brennstoff) in nächster Umgebung befanden, siedelten sich in der Folge immer mehr Porzellan produzierende Firmen an. Deren europa- und zeitweise weltweiten Erfolg wurde durch den Bau der Eisenbahn maßgeblich befördert. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Bau des „Eisernen Vorhangs“, verfiel diese einst so strukturstarke Gegend. Billige Konkurrenzprodukte aus den aufstrebenden asiatischen Schwellenländern versetzten diesen Industriezweig endgültig das wirtschaftliche Aus.
Arzberg Humboldt Haus © Hans-Jürgen Hereth, 2023
alter Wohlstand in Arzberg © Hans-Jürgen Hereth, 2023
Beispielhaft lässt sich das an Arzberg beobachten. Kaum ein Mensch auf der Straße, billige Geschäfte, lieblose Besucherführung. Fragt man jemanden, dann heilst es oft „weiß ich nicht, bin nicht von hier“, auch wenn sich dann herausstellt, dass man direkt vor dem Nachgefragten steht. Am tristesten ist die Auffahrt zur ehemaligen Porzellanfabrik Arzberg. Eine Industriebrache gibt der anderen die Hand und dazwischen heruntergekommene Villen, in denen wohl einst die Fabrikbesitzer residierten. In der Porzellanmanufaktur gibt es noch einen Fabrikverkauf. Mehr los ist in Selb. Rosenthal hat dort viel für das Image des heimischen Porzellan getan. Einmal im Jahr findet hier auch ein gewaltiger Flohmarkt rund ums Porzellan statt. Hier findet man dann die Geschirrteile, die man auch über Ebay nicht ergänzen kann.
Wegbeschreibung:
Bahnhof Bayreuth - Mit der Bahn nach Bad Berneck - Goldkronach (Bergbau-Museum und Museumspark Mittlerer Name Gottes, ab 2019, Schloss) – Goldmühl/Bad Berneck (Lindenplatz Wohnhaus von Humboldt) - Bischofsgrün – Fichtelberg-Neubau (Besucherbegwerk Gleißinger Fels)- Weissenstadt (See) – Tröstau – Bad Alexanderbad (ALEXBad, Felsenlabyrinth, Felsenbühne Luisenburg) - Wunsiedel (Felslabyrinth, Fichtelgebirgsmuseum, Jean-Paul-Stadt, Sechsämter-Land/Liquer) – Thiersheim – Arzberg (Altstadt, Porzellanmuseum, Volkskundliche Geräte, Zeche „Kleiner Johannes“, Humboldt) ––Seussen/Haid: an der Kössein bis - Marktredwitz (Bahnhof, Zug nach Bayreuth)