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Oberbayern
Ludwigslust
Ludwigs Lust(sitze) - zu unserer Freude
Millionen Touristen können sich mit dem Besuch der beiden Königsschlösser nicht irren. König Ludwig II. mag zwar vermeintlich „irre“, aber genial gewesen sein. Wenn der „Märchenkönig“ seine Eremitagen schon nicht selbst nutzen konnte, so sind sie heute wenigstens für alle Welt öffentlich zugänglich.

 
„Vollendet das ewige Werk!
Auf Berges Gipfel
Die Götterburg,
Prächtig prahlt
der prangende Bau!
Wie im Traum ich ihn trug
Wie mein Wille ihn wies.
Stark und schön
Steht er zur Schau:
Hehrer, herrlicher Bau!“
(aus der Arie Wotans)
 
1833 ließ Maximilian II. Joseph, der Vater Ludwigs II., das „Feenschloss“ Hohenschwangau, im gotischen Stil wieder aufbauen. Hier am Schwansee, in der unmittelbaren Nähe seines späteren Bauprojekts, verbrachte Ludwig Jahre seiner Jugend und begann seine Bewunderung für den, den Ort namensgebenden Vogel.

Hohenschwangau © Hans-Jürgen Hereth 2023

glasiger Blick auf den Sehnsuchtsort © Hans-Jürgen Hereth 2023
Wenn Ludwig Neuschwanstein nicht gebaut hätte, wo hätte Disney-Production dann seine Vorlage für die Vielzahl von Märchenfilme hernehmen können? Für mehr als eine Million Besucher jährlich aus aller Welt ist dieser Kurztrip zum 1868 errichteten „Märchenschloss“ einfach ein „must“. Mit dieser, auf einen zerklüfteten Felsen errichten Adaption einer mittelalterlichen Burg wollte Ludwig II. die Bühnenwelt Richard Wagner bauliche Realität werden lassen und den „göttlichen Freund“ huldigen. Sie sollte der Sitz der Schwanenritter werden. Nicht nur bei der Innenausstattung sprach der König ein gehöriges Wort mit. Drei Architekten mit jeweils unterschiedlichen stilistischen Vorstellungen wurden bis zur Fertigstellung 1886 „verschlissen“. Neben dem Speisezimmer verdient das gotisierte Schlafzimmers besondere Beachtung. In all seinen Bauwerken legte er auf diesen Raum besonderen Wert und plante ihn schon weit vor dem eigentlichen Bau. Sie waren ihm Rückzugsort und Repräsentationsraum zugleich.
 
Erstmals bewohnte Ludwig II. seine neuen Räumlichkeiten vom 27. Mai bis 8. Juni 1886. Am 12. Juni 1886 wurde er von dort in einer verschlossenen Kutsche nach Schloss Berg am Starnberger See verbracht. Hier ertrank er unter bis heute mysteriösen Umständen wenige Tage später. Um die Öffentlichkeit von der Korrektheit des ärztlichen Gutachten und den politischen Handlung zu überzeugen, wurden alle Schlösser Ludwig II. am 1. August 1886 der Öffentlichkeit zur Besichtigung freigegeben. Museale Nutzung oder Abriss, für nichts anderes taugten die Prachtimmobilien. Schnell wurden bebilderte Führer gedruckt und bis Oktober 1886 hatten schon 18.000 Besucher Eintrittsgelder entrichtet. Der Ansturm hat bis heute angehalten.

Linderhof maurischer Kiosk © Hans-Jürgen Hereth 2023

Linderhof Brunnen © Hans-Jürgen Hereth 2023
Von Jugend an war Ludwig II. das abgelegene Graswangtal vertraut. Ludwig errichtete dort im Holzständerbau 1878 seine „Königlichen Villa“. Obwohl Linderhof auf die „privaten“ Bedürfnisse des Königs hin ausgerichtet war, durfte ein repräsentatives Audienzzimmer nicht fehlen, in dessen Baldachin der Hermelin aus dem Krönungsmantel von Otto von Griechenland gefertigt wurde. Berühmter wurde das Speisezimmer mit seinem Tischlein-deck-dich, das mittels einer Kurbeltechnik ins Untergeschoss gefahren und so neu „beladen“ werden konnte. Auch in Linderhof sind die Reminiszenzen an Wagner nicht zu übersehen. Am deutlichsten werden sie in der, aus Pappmaschee errichten „Venusgrotte“, auf deren unterirdisch beleuchteten See Ludwig sich in einem vergoldeten Muschelkahn gleiten lassen konnte.
 
„An jeden Pferdeknecht, macht er`s recht“. Diese und ähnliche Gerüchte kursierten auch schon zu Lebzeiten Ludwigs über seine sexuellen Neigungen. Um Majestätsbeleidigungen aus dem Weg zu gehen, wurden Geschichten über ihn und seine „Chevauxlegers“ als Erlebnisse eines „Herrn Huber“ in den Wirtshäusern erzählt. Auch die enge Beziehung zu seinem „Bruder im Geiste“, den „göttlichen“ Richard wurde rasch in der Öffentlichkeit thematisiert. Gehässig nannte Grillparzer Richard Wagner den Lola Montez König Ludwig II., das Volk verballhornte ihn gar zu „Lolus“. Ob Ludwig seine Neigungen in natura oder nur in seiner Phantasie ausgelebt hatte, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Seine, erst 1999 veröffentlichten Briefe an seinen Marschallfourier und vertrauten Hesselschwerdt, lassen an sexueller Deutlichkeit aber nichts zu wünschen übrig.

Ettal © Hans-Jürgen Hereth 2023
Ganz in der Nähe von Linderhof, in Ettal, verbrachte ein anderer homoerotischer „Zauberer“ öfters seinen Winterurlaub. Thomas Mann logierte mehrmals im 1925 errichteten Kurhotel „Ludwig der Bayer“ und seine Entourage besuchte ihn dort häufig. In Doktor Faustus beschreibt Thomas Mann seinen Besuch der „märchenhaften Zuflucht diese gemütskranken oder knallverrückten Königs“. Am meiste Eindruck hat jedoch sein Schlafzimmer hinterlassen: „Der größte Raum in Fürstenschlössern pflegt der Thronsaal zu sein. Hier gibt es keinen. Es gibt statt dessen das Schlafzimmer, dessen Dimensionen im Verhältnis zu der Kleinheit der Tag-Aufenthalte gewaltig ist, und dessen feierlich erhöhtes Paradebett, kurz wirkend durch seine übertriebene Breite, wie ein Aufbewahrungslager von goldenen Kandelabern flankiert ist“.

Königsweg © Hans-Jürgen Hereth 2023

Lumpenmann in der Wieskirche © Hans-Jürgen Hereth 2023
Der Königsweg – ein Versuch.
Von Altenau geht es auf leicht hügeligen Gelände auf der Teerstraße zum Gasthof Forsthaus Unternogg. Dort hat angeblich auch König Ludwig II. mehrmals übernachtet. Nach der Überquerung der Halbammer geht es nach ca. 300 m links Richtung Peustelsau auf dem „Königsweg“ nach Halblech. Königlich ist sein Zustand aber ganz und gar nicht. Schilder weisen extra auf seinen schlechten Zustand hin. Zwar wurden die gröbsten Löcher zugeschüttet, doch durch den Wechsel von Schatten und Sonne in diesem Waldgebiet muss man höllisch aufpassen, dass man doch nicht in eines hinein- oder auf einen großen Stein auffährt. Nach 7 km und dem Abzweig zur Wieskirche beginnt wieder die Teerstraße.
 
Die kleine Barockkirche liegt im Pfaffenwinkel mit seiner hohen Dichte kirchlicher Prachtbauten und Klöster inmitten einer immer noch urtümlichen Landschaft. Im Jahre 1738 begann die Wallfahrt zum gegeißelten Heiland in der Wies(e). Da die heute noch vorhandene Feldkapelle bald für die Schar der Pilger, die sich hiervon Wunder versprachen zu klein wurde, begann man 1745 mit dem Bau einer größeren Kirche, in der das Rokoko in all seiner Großartigkeit zu sehen ist. Dazwischen befindet sich die Urzelle dieses prächtigen Gebäudes, ein Kunstwerk, so „erschreckend unkünstlerisch, roh und armselig“, eine hölzerne, leinwandumwickelte Figur des Gekreuzigten. Zu ihm kommen die Wallfahrer, besonders am Karfreitag. Alle anderen Besucher sind von der goldenen Pracht der Kirche überwältigt oder erschlagen und schenken dem „Lumpenmann“ wenig Beachtung.

Kristalltherme Schwangau © Hans-Jürgen Hereth 2023

Bannwaldsee © Hans-Jürgen Hereth 2023
Die Straße führt mit „königlichen“ Ausblicken zunächst flott bergab nach Ober- und Unterreithen und dem dortigen Gasthof Sera. Bis Trauchgau, man ist jetzt im Allgäu und kann dementsprechend bei jeden Gelegenheit Käse kaufen. Der Radweg verläuft zunächst neben der stark befahrenen „Romantischen Straße“, die man in Halblech hinter sich lässt. Ab der Halblechbrücke führt er mit sanften Anstieg weit entfernt von der Bundesstraße über den Bannwaldsee bis Schwangau.
 
Am Bannwaldsee fand am 6./7. September 1947 im Haus von Ilse Schneider-Lengyel die erste Tagung der Gruppe 47 statt. Die Gruppe wurde berühmt, die Gastgeberin aber, selbst Fotografin, Ethnologin und Dichterin geriet in Vergessenheit. Völlig verarmt ist sie 1972 in einer psychiatrischen Anstalt in Konstanz verstorben. Heute kann man noch den Bootsteg ihres ehemaligen Hauses im Bannwaldsee erkennen.
 
Am Campingplatz Bannwaldsee bietet sich eine Rast und Baden an. Wesentlich gediegener geht es im Schlossbrauhaus Schwangau zu. Relaxen wird in der Königlichen Kristall-Therme am Kurpark Schwangau ebenfalls auf ein anderes Niveau gehoben. Von hier hat man zudem einen wunderbaren Blick über die Kirche St. Kolomann nach Neuschwanstein.
 
Weiter geht es nach Hohenschwangau mit seinem Schlössern Neuschwanstein und Hohenschwangau. Das versteckt neben der Zufahrtsstraße gelegene Schloss Bullachberg, von dem aus man ebenfalls einen traumhaften Blick auf Neuschwanstein hat, kennt dagegen kaum jemand. Bevor man nach Füssen kommt, gibt es am Schwansee die vorläufig letzte Gelegenheit zu einem Bad.

Füssen Schloss © Hans-Jürgen Hereth 2023

Füssen Spitzwegblick © Hans-Jürgen Hereth 2023
Auch das Schloss von Füssen und seine es umgebende Stadtmauer ist schon von weitem zu sehen. Ein kleiner Bummel durch die ehemalige Grenzstadt lohnt sich allemal. Seine ungewöhnlichen Aussichten und Perspektiven haben nicht nur den Maler Carl Spitzweg begeistern können. In der Grenzstadt Füssen wurde 1745 der Frieden zwischen Österreich und Bayern unterzeichnet. Schon die Römer wussten ihre Lage zu schätzen. An Füssen vorbei führte die Römerstraße Via Claudia Augusta, dem Lech entlang nach Augsburg. Auch jemand anderes hat hier seinen Fußabdruck hinterlassen – und dies im wörtlichen Sinn.
 
Der heilige Magnus lebte wohl im 8. Jahrhundert als Einsiedler in Füssen. Er soll die Abtei St. Mangg gegründet haben und ihr erster Abt gewesen sein. Der Legende nach soll er den Lechfall, in dem sich der bis dahin ungehindert von Menschenhand fließende Lech von einer schmalen Schlucht heraus in Kaskaden ergießt, auf der Flucht vor seinen heidnischen Verfolgern übersprungen haben. Zwei schuhförmige Vertiefungen der so genannte Magnustritt, die im Volksglauben als sein Fußabdruck gedeutet wurden, bezeichnen diese Stelle. Bis 1920 fanden deswegen Wallfahrten hierher statt. Erhalten hat sich auch das eiserne Kreuz mit seinen Begleitfiguren von 1730 und das Denkmal mit der Büste König Maximilians II. vor dem gleichnamigen Steg über den Lechfall. Eindruckvoll, besonders bei Hochwasser, ist diese Stelle heute immer noch. Füssen verdankte Magnus auch seinen Reichtum. Dem Stab des Heiligen, das Palladium des Klosters, wurde nachgesagt, dass er bei der Beseitigung von Feldungeziefer wie Ratten und Mäusen helfe. So wurde fleißig „Rattengeld“ zu deren Abwehr von der Bevölkerung erhoben. Allein die Ratten und Mäuse haben davon nichts mitbekommen und taten weiterhin, was sie wollten.

Lechfall Herzog Max Tafel © Hans-Jürgen Hereth 2023

Füssen Lechfall © Hans-Jürgen Hereth 2023
Vom Lechfall aus gelangt man wieder auf den ursprünglichen Radweg, der auf der anderen Lechseite nach Reutte verläuft. Sobald der Fernverkehr am Kreisel auf die Schnellstraße abzweigt und man sich entlang der Bahnstrecke auf Musau zubewegt, wird es merklich ruhiger und entspannter. In Reutte folgt man der Ausschilderung Plansee. Jetzt folgt der unangenehmste Streckenabschnitt. Gute 100 HM geht es zu der Kuppe oberhalb des Plansee hoch. Was nicht so schlimm wäre, wie der Verkehr. Vor allem an Wochenenden fahren Motorradfahrer und Campingbusse auf der recht schmalen Straße oftmals mit wenig Abstand an einem vorbei. Bis Linderhof muss man diese Situation aushalten. Einen separaten Radweg gibt es bis dahin nicht.
 
Das Hotel Ammerwald mit seinem schönen Biergarten bietet deshalb die sehnsüchtig erwartete Ruhepause. Weiter bergan geht es zu den 7 Quellen. Diese bilden nicht nur die Landesgrenze, sondern auch die Wasserscheide. Von nun an geht es bis Altenau mehr oder weniger immer bergab und ab Linderhof kann man dem KFZ- und Motorradverkehr auch wieder über Forststraßen und Radwegen entkommen. Den kurzen Schwenk nach Ettal mit seinem berühmten Kloster sollte man trotz der langen Tour dennoch auf sich nehmen.
 

Oberammergau Hänsel und Gretel Haus © Hans-Jürgen Hereth 2023
Der Radweg führt weiter nach Oberammergau zum sog. Hänsel- und Gretel Haus, über das erst in jüngster Zeit Berichte über eine dort lang anhaltend geduldete und organisiert betriebene Missbrauchshistorie publik geworden sind. Eine ähnliche Problematik wurde auch im Klosterinternat Ettal festgestellt. Auch von solchem Leid wollte Jesus die Menschen befreien und ihnen stattdessen seine Liebe schenken. Alle 10 Jahre wird deshalb dort das weltbekannte Passionsspiel aufgeführt, das der Schauspielleiter Christian Stückl vom Staub der Historie befreit und nach aktuellen Zeitbezügen hinterfragt. Von Oberammergau führt der Weg weiter nach Unterammergau. Bis nach Altenau ist es dann auch nicht mehr weit.
 
Einkehrmöglichkeit: Hotel Ammerwald, Gasthof Sera, Unterreithen, Schlossbrauhaus Schwangau, Gasthaus Unternogg und unzählige in Füssen
Baden: Alpsee, Bannwaldsee, Plansee, ziemlich frisch