Panoramweg Inn und Salzach
Inn und Salzach prägen seit Jahrtausenden die Landschaft. Schon früh siedelten sich hier Menschen an, die vornehmlich Handel betrieben. So waren diese beiden Flüsse auch Wege des Austausches von Süd nach Nord. An seinen Ufern entwickelte sich bedingt durch den äußerst lukrativen Salzhandel eine typische Architekturform, die sich über die Jahrhunderte unverändert erhalten hat. Der Weg stellt eine Verbindungsroute zwischen beiden Flüssen mit weiten Ausblicken in die Landschaft dar, mit zwei Städten an den jeweiligen Endpunkten, an denen man gut verweilen kann.
Salzacheinfluss in den Inn © Hans-Jürgen Hereth 2023
Der Inn ist 600 km lang, entspringt in oberen Engadin und durchfließ 3 Länder, von denen er je 1 Buchstaben mitbekommen hat. Aus 2500 Meter Seehöhe fließt er durch traumhafte Landschaften ins breite Inntal. Um Marktl herum führen ihm die Alz und die Salzach gewaltige Massen Wasser zu, die er in Passau an die Donau weiter gibt. Schon den Kelten galt er als gefährliche, mystische Flußschlange, die sich plötzlich ihre Opfer holte. Heute weitgehend durch mächtige Stauwerke gezähmt, konnten sich an seinen Nebenarmen wieder urwaldartige Flusslandschaften entwickeln.
Sein grandiosestes Panorama zeigt er an den „Dachleiten“ bei Markl, das hoch oben auf dem Prallhang thront. Unten, im Altwasser mit seinem Badesee hat sich der Inn noch seine Urlandschaft bewahren dürfen und gibt gelegentlich, wie am Türkenbach, Geheimnisse seiner Urzeit preis. Findlinge an seinen Ufern künden von den jüngeren Eiszeiten. Wo die Kraft der Gletscher erlahmte, bildeten sich über einen canyonartigen Flussbett hochaufragende Hügel wie in Burghausen oder Marktl, auf denen es schon in vorkeltischer Zeit Höhensiedlungen gab.
Prägend für die Besiedelung waren wieder einmal die Römer, für die der Inn, Aenus, „der Schäumende“, die Ostgrenze der Provinz Noricum (Österreich) mit seinem Ende in Castra Batavum (Passau) darstellte. Von hier aus wurde die Erweiterung des Römischen Reiches nach Raetien (Bayern) vorangetrieben. Bedingt durch die rege Flussschifffahrt gründeten sich hier Städte, die mit dem frühen Mittelalter einen großen wirtschaftlichen Aufschwung nahmen. Mit der Urkunde von 1190 wurde Mühldorf das Niederlag und Stapelrecht für Salz und Hall das für Getreide verliehen. Andere Städte, allen voran Wasserburg, der Innhafen Münchens, zogen nach.
Wasserburg © Hans-Jürgen Hereth 2023
Obernberg © Hans-Jürgen Hereth 2023
Die Charakteristika der sich später ausbildenden Inn-Salzach-Städte hat wohl Franz Prinz zu Sayn-Wittgenstein am trefflichsten beschrieben: „nicht die einzelnen Bauten sind es, die das Stadtbild prägen, es ist der große Zusammenhang aller Dinge im Raum, ihre Proportionierung: wie die Häuserblöcke zusammenstehen, die Kirchen eingeordnet sind, Plätze und Straßen verlaufen, wie sich die Jahrhunderte in schöner Harmonie die Hand reichen und das vielgestaltige Antlitz der Stadt geschaffen haben (...) denn es sind uralte Städte, entstanden zur Zeit also der großen Architekturen der Gotik und der Plastik eines Bamberger und Naumburger Meisters, in einer Zeit, als über die Alpenstraßen nicht nur die großen Warentransporte rollten, sondern vor allem italienische Kultur einströmte. Der Salzburger Barock hat dann den letzten Akzent gesetzt durch die Regulierung der Stirnwände der Häuser in gerader Linie“.
Die Städte an Inn und Salzach verdankten ihren Reichtum dem Salzhandel. Salz war für lange Zeit die einzige Möglichkeit Essen haltbar zu machen und zu würzen, somit extrem beliebt und teuer, eben weißes Gold. Den erworbenen Reichtum wollten die Händler auch nach außen tragen. Sie ließen sich prächtige Häuser mit hochgezogenen Fassaden und Arkaden im Erdgeschoß für den Schlechtwetterhandel errichten. Am reichsten ist der kurfürstliche Leibschiffmeister Johann Caldera aus Kraiburg geworden. Er besaß 18 Schlösser, 37 Klöster, 42 Pfarrhöfe und 68 Weinwirte. Auch in Wasserburg gab es nicht nur reiche, sondern auch überaus kuriose Männer. Einer davon war der 1769 verstorbene Perückenmacher Bader, der in seinen 4 Ehen 47 Kinder gezeugt hat. Der adelige Graf Babo von Abensberg schaffte „nur“ 32 Söhne und 8 Töchter.
1594 endete diese Einnahmequelle abrupt. Herzog Wilhelm erklärte den Salzhandel zu seinem Monopol, um die latent leeren Staatskassen zu füllen. Die dafür versprochenen Ausgleichszahlungen leistete er kaum und nur widerwillig. Geld für neue Bauten war somit nicht mehr in genügenden Maße vorhanden. Was damals ein Schock war, ist heute ein Segen, denn die Ensembles der (Alt-)Städte mit ihren Plätzen und geschlossenen Straßenfluchten haben sich nahezu unberührt über die Zeiten erhalten.
Wasserburg © Hans-Jürgen Hereth 2023
Wasserburg Stiege zur Altstadt © Hans-Jürgen Hereth 2023
Die prächtigste dieser Städte ist wohl Wasserburg, Häuser wie am Ponte Vechio in Florenz und ein Rathaus, dessen sich keine lombardische Kommune zu schämen bräuchte. Hier kam lange Zeit alles zusammen, Waren und Menschen, auch die „Teuffel heraus aus Hispania und Italia“, die auf dem Inn gegen die anrückenden Türken nach Wien verschifft wurden. Nicht umsonst war Wasserburg der Innhafen der Münchner, die bei Gefahr dorthin Hofstaat, Schatzkammer und die Gemäldesammlung in Sicherheit brachten. Im Türkenjahr 1683 ließ Kurfürst Max Emanuel von hier aus seine weißblaue Leibflottille nach Wien und in den späteren Jahren bis nach Belgrad ablegen. Zurück brachten sie am 18. Oktober 1686 u.a. 294 gefangene Türken samt dem Mufti von Ofen.
Inn, Salzach und Donau mit ihren Frachtschiffen waren wichtige Handels- und Nachschubwege. An ihren strategischen Versorgungs- und Ruhepunkten kam es zu Stadtgründungen. Ausgeführt wurde Salz, Erz, Silber und Kupfer, ebenso wie Baustoffe und italienscher Wein – nicht nur für die Klöster. Das Sagen in diesen Städten und auf dem Wasser hatten Handelsherren und Schiffsmeister, die gefährliche Arbeit verrichteten Schiffsleute, Strumer und Treidereiter. Die Schiffsleute galten als ein eigenwilliges, verwegenes, furchtloses Völkchen, die den Strom und die sich daran angesiedelten Wirtshäuser bestens kannten. Sie waren beliebt und gefürchtet, wegen ihres Geldes und ihres rauen, oft groben Auftretens. Mit der Schneeschmelze begannen wieder die „Naufahrten“ stromabwärts. Die „Gegenfahrt“ mit voll beladenen Schiffen oder Flößen war dagegen eine wochenlange Plackerei für die treidelnden Menschen und Tiere. Begleitet bzw. gezogen wurde ein solcher Schiffszug von meist 20 Reitern, leicht erkennbar durch ihren schwarzen Schifferhut, dem roten Leibchen und die lange, bockeichene Lederhose. Für ihre Plackerei, die nie mehr als 6 Stunden täglich durchzuhalten war, bekamen sie ein festes Tagegeld, eineinhalb Pfund Rindfleisch, 4 Brotwecken und 6 Maß Bier. Geld hatten sie also immer in der Tasche. Wohlhabender wurden die Schiffmeister und Kaufleute, zumal die meisten von ihnen auch noch Traidkäufler, Gastgeb und Weinhändler waren.
Doch schon bald nach dem zweiten Türkenfeldzug war es mit der Herrlichkeit vorbei. Die Innschifffahrt lohnte sich nicht mehr, besser ausgebaute Straßen, die Dampfschifffahrt und letztlich die Eisenbahn brachte dieses Gewerbe zum Erliegen. Das letzte größere Schiff, das den Inn beführt war die 1890 die Chiemseejacht „Tristan“ Ludwig II.
Hungerbaum © Hans-Jürgen Hereth 2023
Wasserburg ist von München aus mit der Regionalbahn (MVV-Bereich) in einer Stunde zu erreichen. Am Bahnhof merkt man, dass dieses Fortbewegungsmittel erst später von Bedeutung wurde. Er liegt nämlich ziemlich weit außerhalb der Stadt. Eine schöne Allee führt zur Hauptstraße und diese mit Schmackes den Berg hinunter und den Gegenanstieg zur Burg hinauf. Manchmal können Städtenamen ganz einfach sein: Wasser und Burg ergibt eben Wasserburg. Hier oben hat der letzte Staufer, Konradin, seine Kindheit verbracht. Zu ihr hinauf führen noch heute schmale steile Stiegen. Ist man erst in der Altstadt mit seinen schönen Laubengängen und bunten Häusern angekommen und den vielen Möglichkeiten die Zeit geruhsam zu verbringen, fällt es zunächst schwer die Motivation für eine längere Radtour aufzubringen. Doch der Inn ruft, eher gurgelt er, zur Abreise. Durch das Brückentor geht es auf die andere Innseite und nach dem Gymnasium links die Innhöhe wieder hinauf. Der Panoramaweg Inn Salzach soll nun für die nächste Zeit (62 km) befahren werden.
An den Weggabelungen hängen wahre Maibäume von Wegen von deren Symbole. Doch zunächst wird der Blick von einem anderen seltsam behangenen Baum abgelenkt. Da ist so ziemlich alles drauf, was man sonst wohl wegschmeißen würde. Ein Schild klärt darüber auf, dass es sich bei diesem Gebilde um einen „Hungerbaum“ handelt. Ist ein Paar seit 7 Jahren unverheiratet zusammen, hungern die Freunde nach einem (Hochzeits-)Fest und unterstreichen ihre Abstinenz mit einem so gestalteten Baum. Bisher waren mir nur die „Bixnmacher“ bekannt. Die sieht man in Oberbayern an jeder Dorfecke. Die haben aber nur bedingt etwas mit neuangekommenen Hosenscheißern (Büxe ist nur im norddeutschen eine Hose) zu tun. Sie zeigen an, dass es der Hausherr „nur“ zu einer kleinen Tochter gebracht hat. Die Bixn umschreibt hier das weibliche Geschlecht(steil).
Von derlei Überlegungen darf man sich aber nicht ablenken lassen, wenn man den Weg nicht aus den Augen verlieren will. Wenn doch und man lässt sich von der grünen Radwegmarkierung lenken, hat man spätestens in Kirchloibersdorf mit der Kirche St. Leonhard ein Problem. Entgegen der Routenbeschreibung des Panoramawegs landet man statt in Schnaitsee im Wildpark von Oberreit. Dann geht es halt über kaum befahrene Nebenstraßen auf welligen Gelände über Waldhausen und Harpfing nach Kienberg. Auch auf dieser Strecke gibt es viel zu sehen. Schnaitsee ist aber dennoch zur Verwirrung überall ausgeschildert. In Kienberg kann man über Sonnau wieder leicht auf den Panoramaweg stoßen, um nach Trostberg zu gelangen.
Hier ist nomen est omen. Leider ein ziemlich trostloser Ort, den man gerne und schnell verlässt, nicht ohne sich noch einmal dort zu verpflegen. In Eglsee wartet dann das nächste Beschilderungsproblem. Verpasst man hier den Abzweig , um nach Heiligkreuz zu gelangen, ist dies auch noch am Ortsende von Wäschhausen möglich. Wenn nicht, geht es wie gehabt über die kaum befahrene ST2106 über Oberbuch nach Tyrlaching. Von hier aus entweder die Straße weiter bis Tittmoning oder über Freutsmoos und Kay nach Tittmoning mit der schon erwarteten steilen Abfahrt zur Salzach.
Tittoning Burg © Hans-Jürgen Hereth 2023
Tittmoning Storchenbrunnen © Hans-Jürgen Hereth 2023
Nachdem die Burg, die früher Schloss hieß, am Berg steht und dort oben das Museum ist und sich zudem im Burghof eine gemütliche Wirtschaft befindet, muss man sich für diese wohlverdiente Ruhepause halt etwas quälen. In der Burgkirche kann man dann das großartige Altarbild von Rottmayr betrachten. Der HL Michael stößt den ungehorsamen Luzifer in die Hölle. Dieses Motiv kommt später in Reichersberg noch einmal vor. Nach dem Krieg gründeten hier oben u.a. die Keramikern Ida und Stefan Erdös und der Maler Hansen-Bahia eine Werkhütte. Im Museum Ruppertiwinkel wird alles mögliche gesammelt, u.a. Schießscheiben und Grabkreuze. Am spannendsten ist jedoch der sitzende, einen Kachelofen krönende Türke. Die Türken waren vor des Ausfahrt von Max E. die Herren von Ofen, insofern eine durchaus passende Allegorie. Nach der Abfahrt zu dem in typischer Inn-Salzach Bauweise errichteten Marktplatz fällt man nahezu über das Stadtcharakteristikum, den Storchenbrunnen. Laut Stadtführer soll er den Kampf zwischen Vernunft und Leidenschaft symbolisieren. Es ist wohl eher der zwischen Gut und Böse.
Sehenswürdigkeiten: Altstadt Wasserburg, Altstadt Tittmoning, Burg Tittmoning, Schnaitsee