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Oberbayern
Kleiner Bruder
Kleiner Bruder, der Simsee
Das Chiemgau rund um dem kleinen Bruder des Chiemsees erkunden. Anfänglich auf dem Salzweg mit einem stetigen bergauf – bergab, immer den Blick auf die Voralpen gerichtet, vorbei an schönen Einzelgehöften, wenig Menschen, sinnliche Badefreuden und einem entspanntem Ausfahren auf dem Inn-Radweg nach Rosenheim. 

Torfbahn © Hans-Jürgen Hereth 2023

Inntal © Hans-Jürgen Hereth 2023
Torfabbau
In den Rosenheimer Stammbeckenmooren des Inngletschers, den Koller-, Kendlmühl- und Hochrunstfilzen, rund um Grassau und Raubling wurden seit ca. 150 Jahren Torf abgebaut. Diese Hochmoore bildeten sich in der letzten Eiszeit in Gebieten mit nährstoffreichen Böden und hohen Niederschlägen. Um den Torf, der als heimisches Brennmaterial u.a. für die Eisenbahn und die Salinen interessant geworden ist, abbauen zu können, mussten die Moore zunächst mittels Gräben entwässert werden. Transportiert wurden Mensch, Material und der abgebaute Torf auf Schmalspur Feldbahnen von denen heute noch die im Bayerischen Moor- und Torfmuseum in Grassau in Betrieb ist. Am Torfbahnhof wurde der Torf entweder direkt auf die Bahn verladen oder weiterverarbeitet. Erledigten diese Arbeit ab 1920 in Grassau die Insassen der JVA, kamen in Raubling Saison-Arbeiter aus dem Bayerischen Wald, Niederbayern, Tirol und der Oberpfalz zum Einsatz, die die zwölf mal zehn mal 44 cm starken Soden ausstachen. Bis zu 15 Tonnen war ihre tägliche Arbeitsleistung. Die später viele Arbeiter ersetzende „Wurstelmaschine“ kam auf eine Tagesleistung von 40.000 Soden. Ähnlich beeindruckend wie ihre Arbeitsleistung war jedoch auch ihr Durst. Da es in den Mooren kein Trinkwasser gab, musste er mit Bier gestillt werden. 1500 Hektoliter gingen so pro Saison durch die Kehlen der Moorarbeiter. Die „Filzenwirtschaften“ fanden bald auch bei der ansässigen Bevölkerung Gefallen. Lange Zeit hausten die Arbeiter unter primitivsten Bedingungen in diesen Mückengebieten, bis zumindest in Nicklheim feste Häuser und eine Dorfstruktur für sie entstanden.

Um 1900 wurde Torf weitgehend von der Kohle als Brennstoff verdrängt. Dennoch wurden bis 1921 noch 3500 Eisenwaggons in Raubling mit Torf beladen. Nach dem 2. WK erlebte er als Brennstoff noch eine kurze Renaissance, doch fand er von nun an hauptsächlich als Blumenerde und Pflanzsubstrat Verwendung. 1988 beschloss der Bayerischen Landtag den Torfabbau einzustellen und die Flächen zu renaturieren. Dieser Prozess geht verständlicherweise wesentlich langsamer voran als sein industrieller Abbau. 1 Millimeter kann so das Moor pro Jahr nachwachsen und erreicht dann vielleicht in ein paar tausend Jahren seine alte Mächtigkeit von 5-8 Metern wieder. Heute schon haben sich hier wieder Pionierpflanzen und zahlreiche vorher selten gewordene Tierarten angesiedelt.

Rosenheim © Hans-Jürgen Hereth 2023

Lokschuppen Rosenheim © Hans-Jürgen Hereth 2023
Vom Bahnhof Rosenheim gelangt man über die Bahnhofstraße zum Salingarten, an dem sich früher die Saline befand. Von hier aus ist es nur ein „Klacks“ zur Tourismusinformation mit dem sich dahinter befindlichen Lokschuppen.

Der (Rosenheimer) Lokschuppen gehörte zur ersten Rosenheimer Bahnhofsanlage aus dem Jahr 1876. Wenig später wurde die Bahnhofsanlage von der Stadt Rosenheim übernommen und das Bahnhofsgebäude als Rathaus genutzt. Ab 1931 waren im  Lokschuppen das Stadtarchiv und die Stadtbibliothek untergebracht. 1988 wurden das Gebäude als Ausstellungszentrum umgebaut und mit der Landesausstellung "Die Bajuwaren 488 – 788“ eröffnet. Als Ausstellungsort für Weltkultur & Archäologie hat sich der Lokschuppen seitdem  zu einem Besuchermagneten entwickelt, der 2019 nach einer erneuten Modernisierung und Erweiterung seine Tätigkeit mit SAURIER wieder aufnahm.

Nicht weit davon befindet sich links der Riedergarten, der 1729 als privater Heilpflanzen und Kräutergarten angelegt wurde. Durch seine alten Bäume und Rabatten hat man einen schönen Blick auf St. Nikolaus. Ein Stück weiter beginnt mit dem Max-Josephs-Platz das Herz der Altstadt. Die stattlichen Patrizierhäuser im Inn-Salzach-Stil mit ihren typischen Laubengängen und Erkern sind nach dem großen Stadtbrand von 1641 entstanden und beherbergen heute viele Lokalen und Einkaufsmöglichkeiten. An seinem Ende befindet sich der Ludwigsplatz mit dem im Mittertor untergebrachten Städtischen Museum, von dem die Innstraße abzweigt. Der Radweg führt zunächst über die Mangfall und wenig später am Inn Museum vorbei über den Inn den Schlossberg hinauf.

Mühlbacher Mühle © Hans-Jürgen Hereth 2023
Für die nächsten Kilometer ist Riedering das Ziel, auf das die grünen Radhinweise, später die des Salzwegs verweisen. So geht es über Hofleiten, Westerndorf und Stephanskirchen durch das Naturschutzgebiet Eitzing nach Riedering. Weiter auf geteerten Nebenstraßen mit weiten Ausblicken nach Abersdorf. Nach einem kleinen Waldstück zweigt der Radweg zur Wagenstaller Mühle (Staudenkistler) mit seinem Hofladen ab. Die Straße führt steil den Hügel hinauf und ist als Weg mit tiefen Schotter ziemlich ungemütlich zu fahren. In Pietzenkirchen finden sich wieder die grünen Hinweisschilder. Geradeaus geht es nach Moosen und dort rechts Richtung Mauerkirchen. Jetzt muss man wohl oder übel die Straße nehmen. Alternativen dazu gibt es nicht, aber übermäßig befahren ist auch sie nicht. Sie führt auf eine kleine Anhöhe zu dem Örtchen Hirnsberg, seimem Wirtshaus und der gegenüber liegenden Pfarrkirche Maria Himmelfahrt. Als Dorfkirche ist sie ungewöhnlich groß, zudem verleiht ihr das Satteldach einen wehrhaften Eindruck. Im 16. JH zählten die Wallfahrten hier herauf zu den größten der Gegend. Heute wallfahrtet man eher nach Antwort (so heißt der Ort wirklich).

Simsee bei Eichen © Hans-Jürgen Hereth 2023

Simsee bei Hainbichl © Hans-Jürgen Hereth 2023
Gleich danach geht es stramm bergab. Hier ist volle Konzentration gefordert, denn die beiden U-Turns sind nicht ohne. Nach dieser Abfahrt muss man dann auch sofort runterbremsen, denn links geht es zum Simssee und nach Krottenmühl. Die paar ebenen Kilometer bis dahin nimmt man dankbar an. Auf halber Strecke, in Eichen, befindet sich, mit Blick über den ganzen Simssee ein Naturbeobachtungsturm. In Krottenmühl kann man erstmals Baden gehen. Nach der Überquerung der Bahngleise geht es erstmal wieder bergauf – das kennt man ja schon. In Untershofen folgt man links der Straße am Dixi-Klo-Depot und Ullerting vorbei zur Bundesstraße. Diese überquert man. Geradeaus geht es über Siferling nach Rins, wo man rechts und gleich wieder links zum Rinssee/Spöck abbiegt. Jetzt aber unbedingt ins Wasser. Weit und breit kein Mensch zu sehen. Wo hat man das schon? An der nächsten T-Kreuzung links halten und nach Seehub erneut links abbiegen. Jetzt ist Reipersberg ausgeschildert und vorbei ist es mit der Fricklerei ohne helfende Ausschilderung.
Nach Reipersberg verweist ein Schild auf Rosenheim. Am Ende der Maisfelder muss man die Bundesstraße nach Gaffl überqueren. Die Via Julia und wenig später auch der Inn-Radweg sind jetzt gut sichtbar ausgeschildert. In Sulmaring geht es auf einer 15% gepflasterten Rampe zum Inn hinab. Kerzengerade verläuft der Weg nun zwischen Altarmen des Inn an Fischteichen vorbei zur Innbrücke bei Hofleiten. Der Rückweg zum Bahnhof ist bekannt.
 
Sehenswürdigkeiten: Mittertor, Riedergarten, Max-Josephs-Platz Rosenheim, Lockschuppen Rosenheim, Eichen am Simssee, Wagenstaller Mühle
Einkehrmöglichkeiten: Gasthaus Hilger, Hirnsberg, Zum Augustiner Rosenheim, Konditorei Bergmeister, Rosenheim