Im Stangenwald auf Hopfentour.
Haben einen auf der Spargeltour zumeist die unterirdischen Spitzen begleitet, so sind es hier die überirdischen. Und wie es sich in dieser Gegend gehört, muss man sich die Möglichkeiten zur kulturellen und gastronomischen Rast, mit einigen Steigungen erst einmal erarbeiten.
Zolling Hopfentrocknerei © Hans-Jürgen Hereth
Ampertshausen © Hans-Jürgen Hereth
Hopfen
Obwohl der Hopfen hier schon seit 1200 Jahren angebaut wird, brachte erst im 19. JH das „grüne Gold“, wie der Hopfen gerne genannt wird, sichtbaren Wohlstand. Die Holledau ist das größte zusammenhängende Hopfenanbaugebiet der Welt. Der Hopfen ist eine Kletterpflanze, die sich in ihren grünen Säulenhallen 7 Meter hoch windet. An idealen Tagen vermag die mit der Brennnessel verwandte Hanfpflanze bis zu 30 cm zu wachsen. Bei guter Pflege („der Hopfen will jeden Tag seinen Herrn sehen“) wird er bis zu 50 Jahre alt. Die Hopfenernte der heute 24 angebauten Sorten Hopfen findet traditionell an St. Bartholomä (24. August) statt. Bis in die 50er Jahre hinein haben sich hierfür bis zu 70.000 meist arme Menschen, „Stangler“ und „Brocker“ genannt, aus allen Landesteilen zur Ernte in die Holledau eingefunden, um dort für paar Wochen bei frischer Luft Lohn und Brot zu erhalten. Nicht alle „Gäste“ sind deswegen gekommen und so wissen die alten Berichterstatter von zahllosen Raufereien und Schlimmeren zu berichten. Nach Einbringung des „Hopfenletzt“, auf einem besonders geschmückten Wagen, war die Plackerei des „Hopfenbrockens“ offiziell vorbei und alle Beteiligten konnten dies mit einem Fest und besonderen Mahl genießen. Das traditionelle Essen bestand und besteht heute noch aus einer Nudelsuppe und Schweinebraten mit Teigknödel und Kartoffel-Gurkensalat. Bei reichen Bauern gab es anschließend noch einen Hefezopf. Auch noch heute ist das Einbringen des Hopfens ohne die Hilfe von „Fremdarbeitern“ nicht zu bewältigen.
Anschließend wird der Hopfen zu Trocknen in hohen, weithin sichtbaren Gebäuden ausgebreitet. Nicht umsonst gibt es in dieser Gegend eine große Dichte alteingesessener Brauereien, von denen einige wie Scheyern, Weihenstephan und das Gräfliche Brauhaus in Freising mit über 1000 jähriger Geschichte zu den ältesten Deutschlands zählen. Früher Fürstbistum, heute royal, aber nicht wittelsbacherisch. Alljährlich wird hier eine Spargel-, Hopfen- und Bierkönigin gekürt, die helfen soll, die jeweiligen Produkte weiter zu vermarkten.
Auch die Holledau hat zumal unter dem Patronat der Fürstbischöfe von Freising ihre kirchlichen Feste und Orte. Etwas nördlich von Nandlstadt, in Hörgertshausen, befindet sich die Kirche St. Alban, in der die Wallfahrten der Hopfenbauern ihren Abschluss finden. Und in der 1447 geweihten Wallfahrtskirche St. Kastl bei Langenbruck (auch über die Spargeltour zu erreichen) wird Kastulus als Schutzpatron der Holledau verehrt. Als Patron der Bauern und Hirten wurde der Heilige aber auch von den berüchtigten Hallerdauer Roßdieben zu Hilfe gerufen.
Kirchdorf © Hans-Jürgen Hereth
In Lohhof hält man sich zunächst Richtung Haimhausen. Dann geht es auf einen schönen Radweg neben der B13 nach Fahrenzhausen. Am Ortsende weiter Richtung Allershausen durch Jarzt, Appercha und Thurnsberg. Auf dieser Strecke wechseln sich Radweg und Straße ab. Die Autobahn nach Kranzberg überqueren und entlang der Amper nach Allershausen fahren. Hier im Restaurant „Zum Fuchswirt“ kann man sich schon mal kulinarisch auf die Holledau einstellen. Weiter geht es auf einem gut ausgebauten Radweg nach Kirchdorf, wo man in einem kleinen Park neben der Pfarrkirche St. Martin auf ein wundersame Pferdeplastik und einen noch wundersamen Pavillon mit „antiken“ Göttinnen oder Grazien trifft.
Hier zweigt die kaum befahrene Straße nach Schweitenkirchen ab und man merkt gleich an der ersten Steigung, dass man in der Holledau angekommen ist. Nach wenigen Kilometern ist man auch schon mittendrin im berühmten Stangenwald.
Bayerische Rosenkränz-Fertigung
Der 7. Oktober 1571 endete mit einem überraschenden Sieg der christlichen Mittelmeermächte über die Übermacht der Truppen des osmanische Reiches. „Retter des Abendlandes“ in der überaus blutigen Seeschlacht im Golf von Korinth war der Regensburger Don Juan d´Austria. Anlässlich dieses Sieges führte Papst Pius V. das von nun an jährlich begangene Rosenkranzfest ein. Unter Papst Leo XIII. durften die Gläubigen ganzjährig die Gebetskette abzählen. Ruhig, nahezu meditativ, betete man die Grundgebete Vater unser, Ave Maria und Ehre sei dem Vater in dem freudenreichen, schmerzhaften, glorreichen oder lichtreichen Rosenkranz herunter. Die Herstellung dieser Rosenkränze, bairisch Better, oblag dem Bettermacher. Oftmals gab es mehrere von ihnen in einem Dorf. Zuweilen wurden auch Ortschaften wie in der Gemeinde Schweitenkirchen, Kreis Pfaffenhofen an der Ilm, nach ihnen benannt. Heute wird diese Grundinstrument des katholischen Glaubens kostengünstig in Asien hergestellt.
Wer nach Schweitenkirchen weiter zum Hopfenmuseum nach Wolznach und von dort aus weiter nach Au in der Holledau fahren will, biegt in Ampertshausen links ab, ansonsten folgt man der grünen Radwegausschilderung. In Ampertshausen scheint die Bauernwelt noch in Ordnung zu sein. Die Schweine haben zwischen den Streuobstwiesen freien Auslauf und die „hart im nehmende“ Wintererbse trägt den schönen Namen Pandora. Vor dem Öffnen der selben scheint man keine Angst zu haben.
Man befindet sich jetzt auf dem Holledau-Radweg, der wirklich keinen Hügel und kein Zickzack des Weges auslässt. Das ist etwas mühsam, dafür aber entschädigen die Ausblicke und singenden Lerchen. Wer sich von diesem Weg nicht abschrecken lässt, folgt ihm bis Nandlstadt, ansonsten kürzt man über die Landstraße ab Sünzhausen über Oberhaindlfing nach Attenkirchen ab.
Attenkirchen © Hans-Jürgen Hereth
Amperauen © Hans-Jürgen Hereth
Auch die Landstraße nach Attenkirchen ist nicht übermäßig stark befahren und allzu hügelig. In Attenkirchen, dem Tor zur Holledau, wie sich der Ort selbst bezeichnet, stößt man auf den Bockerlweg, der über Zolling nach Haag führt. Doch zunächst bietet sich in der Trattoria Guiseppe am Dorfplatz ein weitere Zwischenrast an. Der Bockerlweg ist benannt nach der ehemaligen „Bockerlbahn“, die durch die Holledau führte und auf deren Trasse jetzt der geteerte Radweg verläuft. Ohne viel Aufwand kommt man so nach Zolling, wo es Mittags neben dem ehemaligen Bahnhof verführerisch aus dem EDEKA Markt duftet.
Auch wenn Freising von hier aus noch so nah erscheint, die B301 macht keinen Spaß und ist für Radfahrer kurz nach Zolling ganz gesperrt. Der weitere Wegverlauf über Haindlfing nach Freising gleicht einem Nirwana durch Einöden, die auf der gedruckten Radkarte gar nicht verzeichnet sind.
Also doch lieber am Bockerlweg weiter bergab nach Haag a.d. Amper und von dort über Langenbach nach Marzling. Der Weg auf der ehemaligen Bundesstraße (Arens-Radweg) ist kürzer, der über Hangenham und die Wallfahrtskirche St. Maria jedoch schöner. Noch schöner ist es, wenn man auf dem Isarradweg durch die Isarauen bis nach Freising weiterfährt. Von Freising aus zieht ein 500m breiter Auwald die Isar bis Landshut entlang. Extra um seine einmalige biologische Vielfalt erhalten zu können, hat man Uferverbauungen entfernt und die Dämme zurückgesetzt.
Freising Moosach © Hans-Jürgen Hereth
Grenzregion © Hans-Jürgen Hereth
In Freising angekommen gilt es sich zunächst einen möglichst guten Überblick zu verschaffen. Dies gelingt am besten vom Domplatz mit seiner kleine Terrasse aus, die schöne Ausblicke auf die darunter vorbei fließende Isar eröffnet. Auch im wiedereröffneten Diözesanmuseum warten aufregende Durch- und Ausblicke in die Landschaft. Nicht entgehen lassen sollte man sich die dortige Lichtinstallation von James Turrell, die einen schwebend in einen wand- boden- und deckenlosen Zustand hineinführt.
Stadtporträt
War Scheyern Wittelsbacher Urland, so gehörte die sie umgebende Region bis zur Säkularisation zum Fürstbistum Freising. Wie andere Fürstbistümer und freie Reichsstädte war es unabhängig vom Herzogtum Bayern. Die Reichsstädte unterstanden dem deutschen Kaiser und somit dem Reich. Freising war als Hochstift ein reichsunmittelbares Fürstentum unter einem regierenden Bischof. Dieser war zugleich geistlicher Oberhirte und weltlicher Fürst. Zum Freisinger Gebiet gehörten neben den Grafschaften Ismaning und Werdenfels auch viele Besitzungen in Österreich. Aus diesem Grund war bis ins 16. JH der Kontakt zu den Habsburger Erzherzogen und Kaisern sehr eng. Schon vor der Gründung der Stadt München bildete Freising das geistige wie kulturelle Zentrum der Region. Das älteste überlieferte Kirchenlied, das Petruslied (9. JH), ist in einer Freisinger Handschrift ebenso dokumentiert, wie der älteste Nachweis für einen Orgelbau und ein liturgisches Spiel (11. JH) im deutschsprachigen Raum.
Doch waren Kloster und Domberg nicht nur kunstsinnige Orte, sondern auch Verwaltungssitz mit außerordentlicher Machtfülle. Um sich dies zu vergegenwärtigen, sollte man sich auf den weithin sichtbaren Domberg begeben. Nicht ohne Grund startet hier der deutsche Jakobsweg. Der sich dort befindliche Dom sieht zunächst gar nicht so imposant und machtbewusst aus, entpuppt sich beim Öffnen der Domtür dann aber als große Überraschung und bedarf einer etwas längeren Beschreibung.
Freising Dom, armes Sünderlein © Hans-Jürgen Hereth
Freising Dom, langweilige Predigten © Hans-Jürgen Hereth
Dom
Der Dom ist der Nachfolger einer Marienkirche. Sein Kirchenraum und seine baulichen Elemente wurden dabei nicht verändert. Mit seinen zwei Türmen und seiner dreischiffige Emporenbasilika ohne Querschiff ist es ein eher seltener, hiesiger Gebäudetyp. In der Vorhalle befinden sich die Altare der Hl. Katharina und der heiligsten Dreifaltigkeit. Schon im 17. JH wurde der Dom nach den Prinzipien der Vereinheitlichung, Überschaubarkeit und Zielgerichtetheit (finitio, numerus, rhythmische Harmonie) umgestaltet. Die Gläubigen sollten den Gottesdienst als sichtbare Gemeinde erfahren. Der Hauptaltar mit der apokalyptischen Frau (1624) von Peter Paul Rubens sollte von überall in der Kirche sichtbar sein, um die Einheit und Klerus und Gemeinde zu manifestieren. Auch die Schaffung des Licht durchfluteten Oktogons der Maximilianskapelle (1710) in der Krypta als Zeichen der Verkündigung des Evangeliums und der Verbreitung des christlichen Glaubens in Bayern diente diesem Zweck. 1724, zur 1000-Jahr-Feier des Bistums Freising, wurden die Brüder Asam beauftragt, den Dom mit einem Bildprogramm zu versehen, das sein Alter und seine Würde noch stärker hervorheben sollte.
Freisinger Dom, Nepomuk Kapelle © Hans-Jürgen Hereth
Freisinger Dom, Halleluja © Hans-Jürgen Hereth
Unterirdisch geht es mit den Grundfesten bayerischen christlichen Glaubens weiter. Die 24 unterschiedlichen, in 3 Reihen angeordneten, romanischen Säulen der Krypta mit der Bestiensäule in der Mitte, symbolisieren den Lebenskampf des Menschen mit den Mächten der Finsternis, Neid, Hass, Krankheit und Tod. Der Raum diente der Heiligenverehrung und ermöglichte eine größtmögliche Nähe zu den Reliquien wie dem Sarkophag des Diözesan- und Stadtpatrons Korbinian, das zu den frühesten christlichen Denkmälern in Altbayern gehört. Dort befindet sich ebenfalls der von einem Tuffstein gestützte Sarkophag mit den Gebeinen des Hl. Nonnonsus. Durch den sog. Durchschlupfaltar, einem engen Spalt zwischen Tuffstein und Kryptawand, zwängen sich bis heute, vornehmlich am Namenstag des Heiligen am 2. September, noch viele Gläubige, um die Heilung von körperlichen Gebrechen und Hilfe in der Schule zu erbitten.
Auf den oberen Galerien kann man sich einen guten Überblick auf die Domausschmückung verschaffen. Gestört wird man dabei seltsamerweise von kaum jemanden. Das Ganze scheint irgendwie aus der Zeit gefallen zu sein. Auf der rechten Empore des Freisinger Domes ist in nächster Nähe des St. Sigismund Altares in einem Glasrahmen das Skelett eines linken Menschenfußes aufbewahrt. Es gehört aber nicht dem Heiligen, sondern einem großen Sünder. Dieser pflügte lieber Kirschen, als zum Grabe des Heiligen Sigismund zu wallfahrten. Nicht einmal einen Fuß wolle er dorthin setzen, ließ er wissen. Der Fuß fiel ihm ab und sein Pudel apportierte ihn vor den Altar des Hl. Sigismund nach Freising. Dort wird er seitdem verwahrt. Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht.
Freisinger Bär © Hans-Jürgen Hereth
Weihenstephan
Auch das Wappen der Fürstbischöfe ist zumindest skurril. Es zeigt den Bären, der zur Strafe, dass er das Pferd des Hl Korbinian tötete, dessen Gepäck nach Rom tragen musste. Der Kopf eines schwarzen Menschen auf dem Wappen soll diesen (Stadt-) Heiligen darstellen. Übernommen wurde das seit 1284 verwendete und als „Freisinger Mohr“ tradierte Motiv 1954 im Wappen des Landkreis Freising. Heute entzündet sich um die Verwendung dunkelhäutiger Menschen in (deutschen) Stadtwappen eine rege Diskussion, die auch die Verwendung der nominalen Bezeichnung „Mohr“ einschließt. Das Substantiv Mohr geht auf das althochdeutsche Wort „mōr“ zurück, das wiederum vom lateinischen „maurus“ abgeleitet ist. Mit Maurus bezeichneten die Römern die Bewohner des antiken Mauretaniens, des heutigen Marokkos. Maurus oder mauri wurde schließlich zur Herkunftsbezeichnung für alle Menschen Nordafrikas.
Auf- und Abfahrt zum Domberg über das alte Kopfsteinpflaster eröffnen weitere schöne Aussichten, hinter denen sich die Häuser an der Moosach und die weitgehend autofreie Altstadt nicht zu verstecken brauchen. Was noch fehlt als krönenden Abschluß? Natürlich das auf einem weiteren (Aussichts-)Hügel gelegene Weihenstephan mit der ältesten Brauerei Bayerns. Mit der Säkularisation wurde das Kloster mit der Brauerei aufgelöst und die nichtabgebrochenen Klosteranlage in eine staatliche Musterlandwirtschafts- und Forstschule überführt, die bis heute Bestand hat. Im Bräustüberl und seinem Biergarten mit seinem sensationellen Blick lässt die die Tour wunderbar ausklingen
Maisversuchsfeld © Hans-Jürgen Hereth
Alternativer Fahrtbeginn:
Möchte man sich nicht auf dem Radweg und den Nebenstraßen nach Allershausen einrollen, sondern sich abseits des Verkehrs aufhalten, so empfiehlt sich das Teilstück der AAR. Zu erreichen ist er über Lohhof auf zunächst identischen Weg wie oben beschrieben. Vor oder beim Maisteig geht es dann links nach Haimhausen mit seinem schönen Schloss und dort links vor der Kirche Richtung Amperpettenbach. Nachdem man den Amperkanal und die Amper überquert hat, biegt eine Schotterstraße rechts ab, der AAR ist erreicht. Nur zu sehen gibt es von der Landschaft nicht viel, auch die Amper nicht. Zwischen Weizen-, Mais- und Sojafeldern geht es hindurch, in Neufahrn, Kranzberg und Allershausen sieht man dann viel individuellen Eigenheimbau oder Gewerbe. Will man die Tour abkürzen, folgt man dem AAR bis Wippenhausen. Die Teerstraße biegt rechts den Berg hinauf nach Wippenhausen ab und geleitet einen auf einem separtaten Radweg den Berg hinab nach Freising, vorbei an einem langgestreckten Gekreuzigten, der zum Brennholzverkauf leitet. Immerhin bekommt man dort auch das einzige Hopfenfeld auf diesem Wegabschnitt zu Gesicht.
Baden: Heideweiher, Feilenmoos in Reichertshofen, Scheyern Badeweiher; Waldbad, Nandlstadt
Sehenswürdigkeiten: Wolnzach: Hopfenmuseum, Freising: Diozesanmuseum
Einkehrmöglichkeiten: Bräustüberl Weihenstephan Freising, Allershausen Zum Fuchswirt, Attenkirchen Trattoria Guiseppe, Gräfliches Hofbräuhaus Freising, Wirtshaus zum goldenen Hirsch, Wolnzach